Überspannung ist jeder Spannungsimpuls, der die maximal im Versorgungsnetz zulässige Spannung überschreitet. Es ist physikalisch eine Art Unfallphänomen, dessen Entstehung zeitlich und örtlich nicht vorhersehbar ist. Die Störgrößen hängen ab von deren Ursache (z.B. Blitz, Schaltspannung) und den Charakteristika der Komponente auf die er wirkt. In den letzten Jahren wurden die Störgrößen untersucht und deren Beschreibung und Einordnung standardisiert. Im folgenden Text werden die wichtigsten Parameter einer Überspannung (in Übereinstimmung mit IEC 61643-1, IEC 60-1) beschrieben.
Spitzenwert Umax,Imax | ist der maximale Spitzenwert von Spannung, Strom einer Störung oder eines Testimpulses. |
Anstiegsflanke | ist die Flanke von Spannung oder Strom vor dem Erreichen des Spitzenwertes. |
Anstiegszeit des Stromimpulses T1 |
das 1,25- fache der Anstiegszeit bei welcher der Strom von 10% bis auf 90% des Spitzenwertes angestiegen ist. |
Anstiegzeit des Spannungsimpulses T1 |
das 1,67-fache der Anstiegzeit der Spannung von 30% bis auf 90% des Spitzenwertes. |
Abfallkurve |
Spannungsverlauf nach dem Erreichen des Spitzenwertes. |
Abfallzeit bis 50% T2 | Zeit, die vergeht ,bis der Spannungswert 50% des Spitzenwertes erreicht hat. |
Hinweis : Der virtuelle Beginn der Kurve liegt am Schnittpunkt der an der Anstiegsflanke angelegten Geraden und der Zeitachse.
a) Blitz-Stoßstromableiter Iimp (10/350μs)
b) Maximaler Ableitsstoßstrom Imax (8/20 μs)
Blitzstromableiter müssen unter den Bedingungen (10/350μs) das ca.17,5-fache mehr an Energie ableiten als Überspannungsableiter unter (8/20 μs). Daraus ergibt sich ihr unterschiedlicher Aufbau.
In der folgenden Tabelle werden noch einmal die typischen Gründe für das Auftreten von Blitzüberspannungen und Strömen über die Umgebung außerhalb von Gebäuden, Gebäudehülle und Leitungen über induktive und kapazitive Einkoppelung beschrieben. Folgende Werte treten üblicher Weise auf:
Ursache | Überspannung (Spitze) | Überstrom (Spitze) | Abfallzeit 50 % |
---|---|---|---|
Direkter Blitzeinschlag | n*100 kV | >30 kA (50% aller Fälle)>100 kA (5% aller Fälle)
>150 kA(1% aller Fälle) |
200-1000μs |
Galvanische Einkoppelung | n*10 kV | Ferne bis zu 1 kAin Nähe n*1 kA
neben Gebäude n*10kA |
700μs |
Induktive Einkoppelung | Transversal n*1 kVLängsseits n*10kV | n*1 kAn* 10kA | 20μs |
Kapazitive Einkoppelung | Transversall/längsseitsn*1 kV | n*1 kA | 50-100μs |
Der Testimpuls für Blitzstromableiter (10/350μs) wird üblicher Weise dazu benutzt den Direkteinschlag in Überlandleitungen und die galvanische Einkoppelung in das Versorgungsnetz zu simulieren.
Der Stromimpuls (8/20 μs) und der Spannungsimpuls (1,2/50 μs) werden benutzt um die induktive und kapazitive Einkoppelung zu simulieren.
Störungsenergie kann über verschiedene Wege in ein Gebäude eindringen. Primär ist es das Leitungsnetz über das eine Einkoppelung erfolgt.
Erfolgt über einen Blitzschlag in eine Überlandleitung. An jedem Transformatorknoten entstehen dann Überspannungen, die trotz Blitzschutzableitern im Energietechnikbereich zum Teil ins Leitungsnetz eingekoppelt werden .
Ein ebenso kritischer Punkt ist die Anhebung des Erdpotentials gegenüber dem Versorgungsnetz.
Erfolgt durch parallele Leitungsführung bzw. durch das elektrische Feld eines Blitzes.
Ursache für die induktive Koppelung ist das durch die Wirkung des Blitzes ausgelöste magnetische Feld, das in jedem elektrischen Leiter, auf den er einwirkt, einen elektrischen Strom induziert und an deren Enden eine Überspannung verursacht. Je höher die Stromänderungsgeschwindigkeit (di/dt),desto höher ist auch die Induktion.
Entladungen finden zwischen Wolke und der Erde oder zwischen zwei unterschiedlich geladenen Wolken statt. Nur ein geringer Anteil von Entladungen findet zwischen Wolken und Erde statt. Wolkenblitze gehen von sogenannten Gewitterzellen aus. Jede Gewitterzelle ist für ca. 30 Minuten aktiv und produziert ca.2 bis 3 Blitze pro Minute. Eine Gewitterzelle reicht oft bis zu 10 km in die Höhe, deren Boden ist für uns sichtbar und schwebt in einer Höhe von ca.1-2 km über dem Boden. In der Mitte einer Gewitterzelle herrscht ein starker Aufwärtswind, der zu einer Ladungstrennung in den Wolken führt. Die positiven Teilchen befinden sich am oberen Ende einer Gewitterzelle, die negativen sind in Wassertropfen auf der unteren Seite der Gewitterzelle angesiedelt. Wenn die Zelle nahe zum Boden kommt, hat sie das Bedürfnis, sich zu entladen. Bäume am Waldrand wirken dabei wie Blitzableiter. Im Vorweld des Sommers entstehen Gewitter durch die Bewegung großer Luftmassen. Die Enstehungshäufigkeit ist saisonabhängig. In den Sommermonaten (Juli-August) enstehen fünf mal mehr Gewitter als zu anderen Jahreszeiten. Die Aufheizung der Erde fördert die Aufwärtsbewegung der Luftmassen und damit auch die Enstehung der Gewitter. In Anlehnung an IEC 1312-1:1995 ist es möglich einen Blitz und seine Eigenschaften zu beschreiben.
Absolute Impulsladung Qf | max.300 C |
Erste Blitzladung Qs | max.100 C |
Erster Blitzstrom Iimp | max.200 kA |
Spezifische Energie des ersten Blitzes | max.10 MJ/Ω |
Stromanstiegsgeschwindigkeit di/dt | max.200 kA/μs |
Das Schutzsystem muss in der Lage sein eine Blitzüberspannung über Ableiter und Überspannungsschutzkomponenten abzubauen ohne das es dauerthaft Schaden nimmt.
Es ist zu empfehlen in einem Gebäude einen Potentialausgleich zu schaffen z.B. zwischen Hauserder, Heizungsrohren, der Elektroverteilung, Wasserleitungen usw., um eventuelle Differenzpotenziale zu vermieden. Das folgende Diagramm zeight eine typische Verteilung von Blitzströmen in einem Blitzschutz-Stufenkonzept.
Dort wo eine explizite Messung unmöglich ist gilt folgende Annahme:
1) 50 % des Blitzstromes von Iimp =200 kA (10/350)/2=IS1=100 kA wird durch die Metallableiter in die Erde abgeführt.
2) 50 % Blitzstromes von Iimp=200 kA(10/350)=IS2=100 kA wird von den Hauskomponenten dem TK/Informationsnetz, Metallleitungen und dem Elektronetz aufgenommen. Geht man also davon aus ,dass ca. 17% von 100 kA über das Elektronetz abgebaut werden müssen, wären dass IELT=17 kA. Da sich die Überspannung auf mehrere Phasen verteilt beträgt der maximale Ableitstrom durch die Einzelkomponente IELT/n=17/13=5,66 kA. Da die Standardkomponenten alle mit 8/20 μs also 8 kA bei 10/350μs Spannungsimpuls (4% von Iimp) ausgelegt sind wird der anteilige Blitzstrom sachgerecht abgeleitet.
Die Schutzzonen (Lightning Protection Zones LPZ) werden unterteilt in Zonen mit direkter und indirekter Berührung mit der Störgröße (Blitz).
LPZ OA | Zone die im direkten Kontakt mit dem Blitzstrom steht und diesen abführen muss und auf die das komplette elektromagnetische Feld wirkt. |
LPZ OB | Zone die nicht im direkten Kontakt mit dem Blitzstrom steht, jedoch mit anteiligen Strömen belastet wird auf die jedoch das komplette magnetische Feld einwirkt. |
LPZ OC | Zone außerhalb des Gebäudes, definiert mit 3m außerhalb des Gebäudes auf der Erde, wo Teile von Blitzströmen und ein großer Teil des magnetischen Feldes wirken mit Gefahr für Lebewesen. (IEC 62305-4/DIN VDE V 0185-4) |
LPZ 1 | Zone mit weiter begrenzten Blitzströmen durch Überspannungsschutzkomponenten zwischen den Schutzzonen. Abgeschwächte Wirkung des magnetischen Feldes durch bauliche Massnahmen. |
LPZ 2 | Innere Zone mit stark abgeschwächten Impulsströmen und einem sehr abgeschwächten magnetischen Feld, gedämpft durch bauliche Massnahmen. |
Eine fortlaufende Reduzierung von Impuls-Strömen und Spannungen ist eine eindeutige Notwendigkeit. Die Anforderungen für den Aufbau eines Überspannungsschutzes hängt von der Anforderung des zu schützenden Systems ab. Grundsätzlich gilt, je höher die Nummer der Zone, desto geringer ist die Stärke des magnetischen Feldes und der Impulsströme.
Hinweis: Die Verbindung an den Grenzen zwischen den Zonen LPZOA, LPZOB, LPZOC, LPZ1 wird im Abschnitt 3.1 der IEC 1024-1 zusätzlich beschrieben. Die magnetischen Felder innerhalb eines Gebäude hängen jedoch von vielen individuellen Randbedingungen ab (z.B.: Fenster, Ableitsströme entlang Blitzabletitern am Gebäude, Potentialausgleich, Rohrnetze, elektr.Leistungsführung, usw.)
Das folgende Schaubild soll den Aufbau des Zonenkonzeptes verdeutlichen..
Die zuvor beschriebene Aufteilung gibt die Möglichkeit ein Versorgungssystem dank dem Einsatz von Überspannungsschutzkomponenten an der Grenze der LPZO→1 und an der Grenze der LPZ1→2 zu schützen. Für den Übergang der Zone LPZO→1 müssen immer Class I Komponenten (10/350 μs ) verwendet werden (1. Schutzstufe).
Es wird empfohlen am Übergang der Zone LPZ1→2, Class II Komponenten (8/20 μs) einzusetzen (Schutzstufe 2 ).
Es ist empfehlenswert alle 10m einen Ableiter Class III einzusetzen (Übergang LPZ2→3 oder darunter) um induktive Einkoppelungen direkt abzublocken (8/20 μs).
Für Telekommunikation können auch Frequenzfilter Sinn machen. Das Erdungssystem muss möglichst gut miteinander verbunden sein, um eine weite Aufteilung von Impulsströmen zu ermöglichen. Geschirmte Kabelwege sind eine weitere Verbesserung.
Die Spannung in der Elektroinstallation zwischen den Schutzstufen, die maximal hinter der vorgehenden Schutzstufe auftreten darf wird als Spannungsfestigkeit genannt. Diese beträgt hinter der ersten Schutzstufe 6 kV (HVT), hinter der zweiten Schutzstufe 4 kV (UV1), hinter der dritten Schutzstufe 2,5 kV(UV2) und dahinter 1,5 kV (Dose).
Die folgende Grafik soll die Zuordnung und Vergleichbarkeit der Standards deutlich machen.
Varistor Ableiter ermöglichen einen guten Schutz bis zu einem Ableitstrom von Iimp=20 kA (10/350). In den meisten Fällen einer sogenannten oberirdischen Niederspannung die in ein Gebäude eingekoppelt wird ist dieser Ableiter ausreichend. Bei allen höheren Anforderungen sind Gleitfunkenstrecken mit entsprechender Vorsicherung einzusetzen. Das ist wichtig, da Funkenstrecken nach Ihrem Auslösen einen Folgestrom If bei Nennspannung Uc nach sich ziehen und quasi wie ein Kurzschluss wirken. Dieses Problem gibt es bei Varistoren nicht da diese bei Erreichen von Uc wider hochohmig sind.
Um ein unabhängiges Wirken der Schutzstufen in direkter Kaskade zu gewährleisten, dürfen die Stufen nicht zu dicht aufeinander liegen. Der Mindestabstand beträgt 10 m. Bei geringeren Abständen wird eine Induktivität von 2×15μH dazwischengeschaltet und so eine Leitungsläge simuliert. Erst dadurch wird ein verzögerter Impulsanstieg erreicht, der das Wirken der aktiven Schutzstufe und das Mindern auf Begrenzungsspannung zu nächsten Schutzstufe erreicht.
Diese sind notwendig um bei Gleitfunkenstrecken oder Varistoren eine Überlastung des elektrischen Leiters sowie der Ableitelemente zu verhindern. Die Dimensionierung der Vorsicherung wird im Datenblatt eines jeden Ableiters vom Hersteller beschrieben und ist in jedem Fall zu beachten.
Durch Einsatz von Durchgangsfiltern im Zusammenwirken mit Überspannungsschutz kann die Begrenzungsspannung auf 0,8 bis 1 kV reduziert werden die unschädlich für die elektronischen Komponenten ist. Diese Spannung entspricht der Prüfspannung von Netzteilen und Geräteequipment, bei der es keinen Schaden nehmen darf. Die Class III Komponenten sollten nicht weiter als 15m von dem Einbauort des Schutzes entfernt sein, damit keine induktive Einkoppelung rückseits möglich ist. Ein Vorteil ist die Filterung von HF, die durch diese Komponenten geblockt wird. Nachteil ist ein begrenzter Stromdurchgang auf Grund der Drossel –Dimensionierung.
Die Module SDL-*HFF und SDL-3*HFF stellen solche Filter dar.
Der Aufbau einer Schutzkaskade ist auf zwei Wegen möglich:
Bild (a) zeigt einen Schutz gegen Längseinkoppelung von Überspannung.
Bild (b) zeigt den Aufbau zum Schutz gegen transversale Überspannung.
Eine Langzeitstudie hat statisch gezeigt, dass das Auftreten von transversalen von transversalen Überspannungen (L1/N) weitaus häufiger ist als die Längseinkoppelungen (L1/PE,N/PE). Auf Grund dieser Erkenntnis sind die Komponenten der Firma SCHIRTEC nach dem Bild b) aufgebaut.